Gudrun Ebert
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Kino Babylon, BerlinKino Babylon, BerlinKino Babylon, BerlinKino Babylon, Berlin

Ausstellung in der Petrus Kirche, 2002
Interview Verena Wagner-Pfisterer, 2003
Zu den Buntstiftzeichnungen, 2006
Von einem Sonntag im Kinderwagenkino Babylon Mitte, 2007 Zeichnungen Druckversion


'Wer früher stirbt ist länger tot' läuft an diesem Nachmittag.
Bei kühlem Regenwetter kommen sie gern ins warme Kino: junge Mütter und Väter mit ihrem Säugling im Kinderwagen oder im Tragetuch, die Kleinfamilie manchmal erweitert durch die Großeltem, oft Alleinerziehende, auch mal ein Paar ohne Kinder oder Enkel, zwei befreundete Eltern mit Kind und Kegel. Sonntags sind auffallend viele Väter da, mittwochs eher Mütter. Und da war auch schon mal ein Krabbelkind dabei, dem auf einer Decke zwischen den Sitzreihen Raum gegeben wurde und das während der Filmvorführung verfolgt und zurückgeholt werden mußte. So bewegen sich schon mal die Erwachsenen oder ein älteres Geschwisterkind in den langen, leicht gebogenen Reihen des Babylon auf allen Vieren. Zu beiden Seiten der Stuhlreihen werden unruhige Säuglinge auch eine Weile vor- und zurückgefahren, während die Mutter nicht den Blick von der Kinoleinwand läßt und in aller Ruhe die leichte Steigung rückwärts zurücklegt. Das ist allerdings nur im großen Saal möglich. Da parken die Kinderwagen hintereinander an der Wand entlang und es ist noch genug Platz zum einschläfernden Fahren.

An diesem Nachmittag findet die Vorstellung im kleinen Saal, dem Studio, statt. Im nu ist der Raum gefüllt, der Gang von den Wagen verstellt. Verschiedenste Altersstufen sind vertreten. Es wird geraschelt und geknuspert und ein Eis geschleckt, während die Jüngsten gestillt oder mit der Nuckelflasche versorgt werden. Eines muß doch noch schnell gewickelt werden, bevor der Film losgeht - noch mal schnell hochgenommen und gekuschelt werden... danach soll es möglichst einschlafen.

Das Licht geht aus. Es ist aber nicht stockdunkel wie sonst üblich. Die Lautstärke ist etwas reduziert wegen der jungen Ohren. Ob die Älteren genug verstehen? Wohl doch - und sie fühlen sich nicht gestört durch die Kindergeräusche. Manchmal weint ein Säugling oder eines der Geschwister ruft oder lacht laut.

Während dieses Films, in dem die Hauptrolle von einem Jungen im frühen Schulalter gespielt wird, kam es vor, dass ich mich ins Kasperletheater versetzt fühlte. Es waren nämlich wegen dieses Films von Rosenmüller nicht nur Säuglinge da. Die etwas älteren Kinder gingen mit ihren Emotionen laut mit und die Kleinstkinder spielten intuitiv mit, so dass es zum An - und Abschwellen der Geräusche kam. Das Konzert zum Film war oft äußerst passend. Da mußten die Erwachsen trotz der Faszination, die der Film ausübte, über das Nebenspiel lachen.

Hätte ich doch ein Aufnahmegerät bei mir und nicht nur den Fotoapparat.

Die bayerische Sommerlandschaft auf der Kinoleinwand beruhigte. Die Säuglinge schliefen wieder.

Der Film von Rosenmüller an diesem Ort, an diesem Nachmittag, mit diesem Publikum war ein Ereignis. Ich konnte es gespiegelt sehen in den freudigen und zufriedenen Gesichtern. Da störte für eine Weile auch der Regen nicht. Die Kinderwagen fuhren in die verschiedenen Richtungen über den Rosa-Luxemburg-Platz oder in die Hirtenstraße.

 

Berlin, 19.3.07G. Ebert

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