Ausstellung in der Petrus Kirche, 2002
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Rede von Hans
Gert Winter
Ausstellungseröffnung ´Bilder und Objekte` in
der Petrus Kirche Lichterfelde, Berlin, 2002
Liebe Kunstfreunde und Freundinnen,
ich darf Sie nochmals begrüßen, ebenso die Künstlerin
Gudrun Ebert, die natürlich auch anwesend ist und hier
vorn sitzt Ich möchte ein paar Worte sagen über
das Werk von Frau Ebert und über ihren Werdegang. Wenn
wir uns hier im Kirchenraum umsehen, dann fallen zunächst
vielleicht die unterschiedlichen Materialien und die unterschiedlichen
künstlerischen Formen und Techniken auf.
Wir sehen Fotografien, Zeichnungen, Malereien,
Grafiken und Objekte. Eine große Vielfalt künstlerischer
Darstellungsmittel, die auf den ersten Blick starke Kontraste
untereinander bilden.
Auf den zweiten Blick, wenn man sich intensiver mit den
Ausstellungsstücken beschäftigt, entdeckt man
- und ich denke, dass ist ein spannender Prozeß für
den Betrachter - Verbindungen und Gemeinsamkeiten zwischen
den Objekten. Auffällig ist ja, dass nicht das Einzelbild
oder das ausgeformte Zeichen im Vordergrund steht, sondern
Gruppen von Objekten, die in der Form der Serie oder Sequenz
gegliedert sind. In der Serie oder der Sequenz bezieht sich
das einzelne Bild oder Zeichen immer aufseinen Nachbarn
und ist nur Teil eines größeren Ganzen.
Das Bild verliert dabei vielleicht Teile seiner Aura, gewinnt
aber ein lebendiges Beziehungsgeflecht, wir als Betrachter
haben die Chance, je nach dem, wie wir unsre Blicke lenken,
eine Vielfalt von Relationen zwischen den verschiedenen
Teilen zu knüpfen.
So kann ich z.B. hier bei dieser Fotosequenz
entdecken - wenn ich die normale Leserichtung von links
nach rechts wähle - wie eine abstrakte, beinahe transparente
Form sich in eine konkrete Abbildung verwandelt, registriere
aber auch, dass eigentlich das Foto mit der Abbildung der
Ausgangspunkt des Prozesses ist, der Entstehungsprozess
also eigentlich umgekehrt verläuft.
Ich lese also sowohl von links nach rechts, wie auch von
rechts nach links.
Ohne Ihrer Entdeckerfreude etwas vorwegzunehmen, sei doch
soviel verraten, dass dieser Verwandlungsprozess im Fotolabor
mit dem Vergrößerungsgerät realisiert wurde.
Rechts daneben wird übrigens das gleiche Foto in der
vertikalen Reihung in einen neuen Zusammenhang gestellt.
Der Bezug zum Experiment liegt nahe. Gudrun Ebert experimentiert
mit Materialien, dies können Texte, Bücher, Fotos,
Farben sein, die sie einem Prozeß der Veränderung
unterwirft und dieser Vorgang selber wird sichtbar gemacht.
Dies kann spielerisch sein, wie z.B. bei dem Leuchtkastenobjekt,
wo oben die Abdrucke der Pauspapiere angeordnet sind, die
am Leuchtkasten nach dem Abreiben wie Negative erscheinen,
durch den Kontext mit dem Licht und der Farbigkeit erinnern
sie nun an Kirchenfenster und erhalten einen sakralen Charakter,
was wiederum durch den Kontext zum gesamten Kirchenraum
unterstützt wird. Was die Realgegenstände darunter
für einen Bezug zum Objekt haben, werden Sie bei Ihrem
Rundgang mit Genuß selber nachvollziehen.
Der Veränderungsprozess kann auch stärker konzeptionell
angelegt sein, wie zum Beispiel bei den Übermalungen
von Zeitschriften und Werbeseiten, wodurch die Glätte
der Warenästhetik ganz zu Gunsten der Auseinandersetzung
mit Material, Farbe und Oberflächenstrukturen ersetzt
wird und nur Fragmente der ursprünglichen Typografie
durchscheinen. Die Schrift verliert ihre Funktion als Bedeutungsträger
der Werbebotschaft und wird formales Element der neuen Gestaltung.
Dies gilt auch für die Buchobjekte. Durch
einfache Veränderungen werden Texte verborgen, oder
auch betont, durch Übermalungen der Schrift entstehen
Projektionsflächen für den Text des Betrachters.
Welcher Text verbirgt sich in einem Buch, das ich gar nicht
öffnen kann?
Welche besonderen Erwartungen habe ich an ein Buch, das
auf dem Platz liegt, auf den ich mich setzen wollte?
Auch frühere Arbeiten, wie diese hier rechts, die im
Zusammenhang mit Überlegungen zu einer weiblichen Ästhetik
entstanden sind, zeigen die Experimentierfreude. Texte der
antiken Lyrikerin Sappho werden mit Stoff als Zeichenträger
wie ein Bild inszeniert, Papier - normales DIN A 4 Papier
- jedoch mit einer realen Naht zusammengenäht, dies
wirkt äußerst fragil, der Faden erscheint wie
Schrift.
Es ergeben sich aber nicht nur Verbindungen zwischen den
Serien und Sequenzen, sondern auch zwischen den Gruppen
selbst, auch quer durch den Raum. Dort werden bei einfachen
Rostobjekte durch die Fotografie die Oberflächenlandschaften
sichtbar gemacht, dort in der Malerei entstehen durch Auswaschungen
ähnliche Strukturen, hier können wir den Rost
und den Materialcharakter der Objekte selber erfassen und
Sie werden gleich erleben, wie diese Objekte auch noch zu
Instrumenten werden.
Gudrun Ebert hat Grafik Design studiert, sich
dann intensiv mit der Fotografie auseinandergesetzt, an
einer Waldorfschule Unterricht in Malerei und Zeichnung
und Fotografie gegeben und die Einflüsse der unterschiedlichen
Bereiche und Medien in ihre eigene künstlerische Tätigkeit
aufgegriffen. Eine große Neugier und Offenheit für
die Möglichkeiten des künstlerischen Gestaltungsprozesses,
verbunden mit dem Respekt gegenüber dem verwendeten
Material, kennzeichnet für mich das Werk von Gudrun
Ebert. Der Kunstbeirat der Petrus Kirche freut sich, ihnen
die Künstlerin heute Abend vorstellen zu dürfen
und Dir - liebe Gudrun - danken wir für diese schöne
Ausstellung.
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